Vor 95 Jahren – Als jeder Crimmitschauer Bürger Millionär war

I. Der Krieg ist zu Ende - Deutschland wird Republik

Der Erste Weltkrieg war zu Ende und hatte Millionen Opfer gefordert. Allein in Crimmitschau und den heutigen Dörfern kehrten 1 245 Männer nicht zurück.
Dazu kamen noch unzählige Invaliden die nur noch bedingt oder nicht mehr arbeiten konnten. Also mussten die Frauen ihre Plätze übernehmen, trotz
Haushalt und meist vieler Kinder. Die Warenbedarf war rationiert und die Preise eilten dem Lohn davon. Um verstehen zu können, was sich damals zutrug, und wie es überhaupt so weit kommen konnte, muss man zurückblicken auf die Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Deutschland hatte 1871 den Krieg
gegen Frankreich gewonnen und vier Milliarden Goldfranc erpresst. Deutschland war nun ein Kaiserreich und unser Sachsen ein Königreich mit einer gemeinsamen Währung. Die Talerwährung war Vergangenheit, es wurde die Mark gesetzliches Zahlungsmittel mit dem Wert 1 zu 1393 eines Pfundes Feingold; ein Gramm Gold entsprach damit drei Mark (heute ca. 35 € !).Deutschland blühte auf, es begann eine industrielle Revolution. In unserer Stadt entstanden zahlreiche Fabriken und Unternehmen. Moderne Häuser und Parkanlagen verschönerten den Ort. Deutschland hatte Kolonien und spielte in der damaligen Welt mit seine Erzeugnissen eine führende Rolle. Hauptzahlungsmittel waren die Goldmünzen, die Silbermünzen bis fünf Reichsmark waren aus Silber.

Da begann im Jahre 1914 der erste Weltkrieg. Der Ausbruch des Krieges kam für die meisten Menschen überraschend, doch wurde dieses Ereignis mit einer gewissen Euphorie gefeiert. Für Gott, König und Vaterland wollte man siegen und gegebenenfalls auch sterben. Zu Weihnachten wollte man gesiegt und wieder zu Hause sein!Doch die Begeisterung verflog rasch. Im täglichen Leben machte sich bald ein Mangel an Dingen des täglichen Bedarfs bemerkbar, weil man sie für Kriegszwecke benötigte. Baustoffe wurden kontingentiert und eine allgemeine Preissteigerung machte sich bemerkbar und belastete die Menschen. Viele Familienväter mussten an die Front und die Frauen, selbst die Kinder waren gezwungen, die Familien zu ernähren.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Einlösepflicht der Geldschein-Reichsmark jedoch am 4. August 1914 aufgehoben. Aus der goldgedeckten Mark (nachfolgend „Goldmark“) wurde die ungedeckte Papiermark. Das Kaiserreich finanzierte die Kriegsausgaben zunächst vor allem durch Kredit; schließlich hoffte man auf einen „schnellen Sieg“; und dass Frankreich die Kriegskosten letztlich wieder tragen würde. Die Staatsschulden stiegen von 5,2 Mrd.
1914 auf 105,3 Mrd. Papiermark 1918. Aber auch die Papiergeldmenge wuchs. Denn weil es ab 1916 immer schwieriger wurde, Abnehmer für die Kriegsschulden zu finden, sprang die Reichsbank ein. Sie kaufte die Papiere und bezahlte mit neu gedrucktem Geld. Im Jahr 1914 betrug die Papiermark-Geldmenge knapp 5,9 Mrd. Papiermark, 1918 war sie bereits auf 32,9 Mrd. Papiermark angewachsen. In der Zeit von August 1914 bis November 1918 stiegen die Großhandelspreise um 115 Prozent, die Kaufkraft der Papiermark wurde also mehr als halbiert. In der gleichen Zeit wertete die Papiermark (an der Berliner Börse) um etwa 84 Prozent gegenüber dem US-Dollar ab. Das furchterregend-beklemmende „Delirium der Milliarden“ nahm in der Nachkriegszeit seinen unheilvollen Lauf. Die neue Weimarer Republik sah sich gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen gegenüber. 1920 betrug die Industrieproduktion nur 61 Prozent des Niveaus von 1913, 1923 war sie auf 54 Prozent gefallen. Die durch den Versailler-Vertrag erzwungenen Landabtretungen hatten die Leistungsfähigkeit des Reiches geschwächt. Hinzu kamen Reparationsleistungen (im Mai 1921 wurden sie auf 132 Mrd. Goldmark festgesetzt), die in Fremdwährung und Naturalien zu leisten waren.

Vor allem aber wollten die neuen demokratischen Regierungen der Weimarer Republik den Ansprüchen ihrer Wähler so umfassend wie möglich nachkommen. Weil die Steuereinnahmen dazu nicht ausreichten, begann die Reichsbank, die Notenpresse laufen zu lassen. Bereits Ende 1919 war die Geldmenge auf knapp 51 Mrd. Papiermark angewachsen. Der Staatshaushalt blieb chronisch defizitär. Von April 1920 bis März 1921 betrug der Steueranteil an allen Staatsausgaben im Durchschnitt weniger als 37 Prozent, der Rest wurde mit Reichsbankkrediten, durch die neue Papiermarkt in Umlauf gebracht wurden, finanziert. Zwar besserte sich die Lage bis etwa Mitte 1922. Der Steueranteil aller Staatsausgaben erreichte sogar im Juni kurzzeitig 75 Prozent. Doch dann brach sich das Unheil Bahn: Die Auseinandersetzung um den angeblichen Rückstand der deutschen Reparationszahlungen, die bereits gegen Ende 1922 begann, ebnete den Weg in das deutsche
Währungsdesaster.

II. Das Elend bricht über unsere Stadt – Das Geld verfällt

Wohl jeder hat schon von dem Schreckgespenst „Inflation“ gehört. Die Großväter und Väter haben darüber aus eigener Erfahrung berichtet oder Dinge weitererzählt,
die heute kaum noch erfasst werden können. In unzähligen Schriften ist von der großen Inflation von 1922/23 geschrieben, sind ihre Ursachen und Auswirkungen
umfassend beleuchtet worden Sehr wenig bekannt ist von den Vorgängen, die sich in dieser Zeit in einer Stadt abgespielt haben und von denen die Bewohner
damals betroffen waren. Der einfache Bürger hatte besonders darunter zu leiden und musste einen Kampf ums nackte Überleben führen, wie wir ihn uns heute in
der üppigen Konsumgesellschaft nicht vorstellen können.Die nun folgenden Schilderungen sollen die Vorgänge in der Stadt Crimmitschau beleuchten, treffen aber
genauso auf die umliegenden Orte unserer Heimat zu. Die Stadt hatte ihre Einwohnerzahl in den vergangenen 100 Jahren verzehnfacht.
Die Textilindustrie und der Maschinenbau dominierte. Durch krasse Klassen- und Standesunterschiede blieben soziale Spannungen nicht aus.
Crimmitschau zählte damals schon 23 Millionäre, die in ihren prunkvollen Villen am Westrand der Stadt residierten, während in der
Arbeiterschaft die gesamte Familie zum Broterwerb beitragen musste. Kinderarbeit war im Königreich Sachsen gesetzlich erlaubt; Kinder
ab 12 Jahres durften 6 Stunden und ab 14 Jahren bis 10 Stunden in den Fabriken arbeiten. Für die Erwachsenen betrug die Arbeitszeit
bis zu 14 Stunden. Die vorhandene soziale Spannung eskalierte mit dem großen Textilarbeiterstreik 1903/04, als ca. 9 000 Arbeiter
um den 10-Stundentag kämpften. Dieser Streik fand damals internationale Beachtung und Unterstützung und ist in die Geschichte eingegangen.
Die Löhne in der Textilindustrie waren gering, so dass die gesamte Familie zum Lebenserhalt beitragen musste. Der Wochenlohn für männliche
Arbeitskräfte betrug zwölf Mark, für Frauen sieben Mark, Kinder von 14-16 Jahren fünf und von 12–14 Jahren nur zwei Mark.

Dazu einige Preise

Während auf Grund der Preissteigerungen immer größere Papiergeldemissionen verausgabt wurden, machte der Krieg auch nicht vor den Kleinmünzen
im täglichen Zahlungsverkehr halt. Bedingt durch die Kriegswirtschaft und der damit verbundenen Rohstoffverknappung fehlte es an den Metallen zur Münzenherstellung.

Alu-Münzen in Nominalen, wie sie nie gekannt waren, selbst Eintausendmark – Münzen waren geplant. Sie alle waren längst von
der galoppierenden Inflation überrollt worden.Die damals umlaufenden Kleinmünzen bestanden, wie bereits erwähnt, aus Buntmetall.
Diese Münzen wurden nun in großen Mengen aus dem Verkehr gezogen und der Rüstungsindustrie zugeführt. Eine Vielzahl hielt die
Bevölkerung in Hoffnung auf Wertsteigerung zurück. So war schon ab 1916 ein akuter Mangel an Kleingeld zu verzeichnen. Im Crimmitschauer Tageblatt wurde unter der Überschrift „Wo bleibt das Kleingeld ?“ die Kleingeldhamsterei angeprangert und dem „sonst vernünftigen Volk“ Kurzsichtigkeit vorgeworfen. Das Blatt schrieb: „Es ist kein Platz für die schofle Judasfrage; ist mein Vermögen sicher in Metall oder Papier?. Jetzt gilt nur noch die Lebensfrage: Gewinnen wir den Krieg oder nicht?“. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, das zurückgehaltene Kleingeld wieder dem Zahlungsverkehr zuzuführen. Wie prekär die Situation damals war, zeigt eine Bekanntmachung in der Presse vom 25. März 1917, in der alles zur Bedachung verwendete Kupfer sowie Blitzschutzanlagen beschlagnahmt wurden. Bis Ende jenes Monats waren solche verwendbaren Dinge zu melden. Bei Zuwiderhandlung drohte man mit Strafen zu 6 Monaten Gefängnis oder zu 10 000 Reichsmark. Am 28. März wurden sämtliche in den Geschäften zum Verkauf stehenden Zinn- und Kupferartikel eingezogen, von Geschirr über Wasserhähne bis zu Lampen und Leuchtern.

Am 20. Juni 1917 demontierte man selbst die Glocken der Crimmitschauer Laurentiuskirche. In einem speziellen Gottesdienst wurden sie vom damaligen Oberpfarrer Schink zum „Kriegsdienst“ verabschiedet, wie damals die Bezeichnung dafür lautete. Während man so versuchte, den Buntmetallmangel auszugleichen, benötigte man zur Weiterführung der Kriegsmaschinerie das nötige Geld, gutes Geld aus edlem Metall. Doch das hatte die Bevölkerung, sofern sie Gold und Silber besaß, zurückgehalten. In einer groß angelegten Kampagne versuchte man den deutschen Bürgern klar zu machen, dass Millionen von Gold- und Silbermark nur die Beute der „raub- und mordgierigen Feinde“ werden würde, wenn der Krieg verloren ginge. Spätestens in dieser Zeit sind Zweifel an einem Sieg zu erkennen.
Das Crimmitschauer Tageblatt schreibt: Wird der Krieg gewonnen, baut sich auf der Grundlage des siegreichen Friedens Glück und Wohlstand, besonders des kleinen Mannes, auf. Den Kleingeld- und Edelmetallhamsterern wurde daraufhin der Kampf angesagt.

Unter dem Motto „ Gold gab ich zur Wehr – Eisen nahm ich zur Ehr“ rief man die Bürger zum Patriotismus auf. In der Turnhalle des Männerturnvereins, dem jetzigen Haus der Vereine, wurde eine Goldabgabestelle eingerichtet, wo die Bürger ihr Gold und Silber abgeben konnten. Sie erhielten dafür, außer den Gegenwert in Papiergeld, eine Medaille aus geschwärztem Eisen mit dem vorgenannten Spruch. Die Vorderseite zeigt die opfernde Germania. Ein Zeitzeuge berichtete dem Autor, dass 1916 in der Zwickauer Kaserne die in der Ausbildung stehenden Rekruten bei Abgabe von einem goldenen Zehnmarkstück den Gegenwert in Papier und einen Tag Sonderurlaub bekamen.

Wie diese Kampagne damals aufgenommen wurde, verdeutlicht eine spätere Hochrechnung des bedeutenden Numismatikers Kurt Jäger aus dem Jahr 1971, die davon ausgeht, dass 70-80 % der Goldmünzen des Kaiserreiches noch heute vorhanden sind. Obwohl diese Stücke 1938 von den Nationalsozialisten aufgerufen und deren Besitz unter Strafe gestellt wurde.

Die Resonanz hielt sich auch in der Stadt in Grenzen, denn schon am 12. Juli 1917 schloss man diese Goldankaufstelle wieder. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten trotzdem 1998 Posten an Goldschmuck und Goldmünzen verbucht werden. Wobei unter Posten sicherlich jedes einzelne Stück gemeint war. Um den bereits erwähnten Mangel an Kleingeld zu beseitigen, prägte man nun in den staatlichen Münzprägeanstalten 10- und 5- Pfennigstücke aus Eisen und Pfennige aus Aluminium. Da selbst dieses Metall in der Rüstungsindustrie benötigt wurde, folgten 10- Pfennigstücke aus Zink. Obwohl für das gesamte Deutsche Reich für etwa 217 Millionen Mark Kleinmünzen geprägt wurden, war der tatsächliche Bedarf weitaus höher. In Crimmitschau, wie auch in zahlreichen anderen Orten, behalf man sich anfangs mit Briefmarken als Kleingeldersatz. Doch das konnte den Mangel nicht beeinflussen. Um diesem Übel abzuhelfen, beschloss der örtliche Rat am 20. März 1917, für 100 000 Mark Kleingeld in Gutscheinen herauszugeben. Die Kosten für die Herstellung dieser Scheine in Höhe von zwei bis dreitausend Reichsmark sollten durch eine Kriegsanleihe gedeckt werden. Dieser Ratsbeschluss stützte sich auf einen Erlass von 15. Oktober 1916, der bereits zu diesem Zeitpunkt Notgeldemissionen duldete, und auf einen Verordnungsbeschluss des Ministerium des Inneren, der die Herstellung von Kriegsnotgeld gestattete.

Danach sollten für Crimmitschau folgende Kleingeld – Ersatzscheine hergestellt werden: 100 000 Stück zu 50 Pfennigen, 40 000 Stück zu 25 Pfennigen und 250 000 Stück zu 10 Pfennigen. Der Sitzung des Stadtverordnetenkollegiums am 28. März war eine heftige Debatte vorausgegangen, u.a. darüber,ob die 10- Pfennigscheine überhaupt notwendig seien, da für diese Summe kaum noch etwas zu erhalten ist. Es wurde auch erwogen, den 10- Pfennig- Schein in einer runden Form herzustellen, was aber verworfen wurde. Generell erteilte das Kollegium die Auflage, alle Scheine sollten ein Format haben, dass sie ohne Knicken in die Geldtaschen passen müssen.

Am 8. Juni 1917 setzte man die Kleingeldersatzscheine in Umlauf. Die Gültigkeit dieser Scheine war durch Aufdruck bis Ende Dezember 1918 befristet. Die Scheine galten als vollwertiges Zahlungsmittel und Bürger wie Kaufleute waren verpflichtet, dieselbigen anzunehmen oder einzulösen. Im Bahnhof richtete man eine Dienststelle ein, die stadtfremden Personen beim Verlassen der Stadt die Möglichkeit gab, die Scheine wieder in Münzen umzutauschen.

Die Bedeutung dieser Kleingeldersatzscheine wurde vom weiteren Geldverfall verwischt. Es haben sich nur wenige Exemplare erhalten, die in Sammlerkreisen sehr begehrt sind. Wahrscheinlich sind sie nach ihrer Einlösung Ende 1919 fast restlos vernichtet worden.
Der Krieg war 1918 verloren, mit verheerenden Folgen für das Land und die Menschen.
Die einst wohlhabende Stadt Crimmitschau litt wie alle deutschen Städte unter den Folgen des I. Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise. Es bot sich zudem ein Bild der völligen Zerrüttung im Finanzwesen. Hervorgerufen durch steigende Preise entstand ein erheblicher Bargeldmangel. Auf Grund der Preiserhöhungswelle mussten auch die Löhne nachgezogen werden, was zu einem weiteren Missverhältnis zwischen dem Warenbedarf und der benötigten Geldmenge führte.
Die meisten deutschen Städte waren gezwungen, auf Grund der enormen Preissteigerungen und dem damit verbundenen Mangel an Zahlungsmitteln, eigenes Notgeld zu drucken.
Mitte des Jahres 1922 hatte der Mangel an Geldscheinen bereits ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Die Reichsbanknebenstelle in Crimmitschau war Anfang September nicht mehr in der Lage, den durch die Geldentwertung und die schnell aufeinander folgenden Lohnerhöhungen hervorgerufenen enormen Bedarf an Zahlungsmittel zu decken.
Es war nicht mehr möglich, den Arbeitnehmern den wöchentlichen Lohn in Geldscheinen auszuzahlen. Der Zentralausschuss der Arbeitgeberverbände von Crimmitschau und Umgebung vereinbarte daraufhin mit dem Gewerkschaftskartell, dass umgehend Gutscheine zu 100 und 500 Mark zur Ausgabe gelangen sollten.
Anfänglich verwendete man Schicht- und Lohnkarten, die in der Mitte getrennt wurden, mit dem entsprechenden Wert und den Firmenstempel versehen, sowie vom Unternehmer persönlich unterzeichnet. Am 8. September 1922 kamen diese Notgeldschecks oder auch Gutscheine genannt, erstmals in Verkehr.

Notgeldschecks: links Geteilte Schichtkarten, rechts gedruckte Gutscheine

Wie akut der Geldmangel zu dieser Zeit in der Stadt war, machte der damalige Bürgermeister Beckmann während einer Sitzung des Stadtverordneten – Kollegiums am 13. September 1922 deutlich: „ – Zur nächsten Lohnzahlung werden in dieser Woche 70 Millionen Mark benötigt, während bei der Reichsbank nur für 17 Millionen Mark in Banknoten zur Verfügung stehen. Um dieses Defizit auszugleichen, sollten in Höhe der Differenz nochmals Gutscheine an die Arbeitnehmer ausgegeben werden“.
Unmittelbar darauf druckte die Crimmitschauer Firma Böttcher & Neumerkel für 200 Mio. Mark entsprechende Schecks zu 300 und 500 Mark, auf denen teilweise das Crimmitschauer Privatbankhaus C.G. Händel bürgte. Die anderen örtlichen Banken erklärten sich ebenfalls bereit, diese Scheine einzulösen. Diese Schecks sollten innerhalb von 8 Tagen in den Kontoren der Betriebe in Banknoten umgetauscht werden. Das war jedoch bei dem Mangel an Geldzeichen nicht in jedem Fall möglich.
Es war nun vorgesehen, die Hälfte des Lohnes in Banknoten, die andere Hälfte in Schecks auszureichen. Doch auch das war nicht in die Praxis umzusetzen und so versuchte jeder die Notgeldschecks so schnell wie möglich wieder loszuwerden, um die täglichen Wertverluste zu mildern. Die Geschäftsleute sahen die Angelegenheit äußerst skeptisch, wurden jedoch durch eine Anweisung zur Annahme verpflichtet.
Laut Ermittlungen des Geldscheinforschers Dr. Arnold Keller beim Zentralverband der Arbeitgeberverbände sollen 90 verschiedene Firmen aus Crimmitschau und Umgebung im Jahr 1922 solche Notgeldschecks ausgegeben haben. Allerdings sind nur Scheine von 8 Unternehmen belegt. Diese Schecks konnten auf die Dauer den Geldmangel nicht beseitigen. An die Bürger ging der Aufruf, ihr entbehrliches Bargeld nicht zu horten, sondern Girokonten anzulegen. Doch der normale Arbeiter oder Angestellte hatte kaum genug Geld um zu leben und andererseits verlor jede gesparte Mark über Nacht an Wert.
Um den immer prekäreren Mangel an Geldzeichen zu beseitigen, sah sich der Stadtrat gezwungen, wie auch zahlreiche andere Städte, eigenes Notgeld herauszugeben. Mitte September 1922 bildete man eine Kommission, die den Druck dieses Stadtgeldes in die Wege leiten sollte. Es war vorgesehen, 100- und 500-Markscheine sowie in kleineren Mengen auch 1000er zu drucken. Die letzteren gelangten jedoch nicht mehr zur Ausführung.
Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar, warum so verhältnismäßig kleine Emissionen gedruckt wurden, da bereits vier Monate vorher, im Mai 1922, die Reichsbank Noten zu Zehntausend Mark in Umlauf gebracht hatte. Somit hatte dieses Geld bei Erscheinen bereits keine Kaufkraft mehr.

Das erste Crimmitschauer Notgeld

Die Entwürfe der beiden erstgenannten Scheine stammen von dem Dresdener Maler und Grafiker Richard Stöckert, einem gebürtigen Crimmitschauer. Für die Herstellungskosten der Scheine musste man 614 400.- Mark aufwenden, nachdem allein der Papierpreis kurz vorher um das 350-fache gestiegen war. Die Stadt forderte die hiesigen Unternehmer auf, sich an diesen horrenden Kosten zu beteiligen, da die Stadtkasse leer war. Die Unternehmerschaft lehnte dieses Ansinnen ab, so dass die Stadt die vollen Kosten zu tragen hatte.
Auch der Bezirksverband der Amtshauptmannschaft Werdau hatte im Oktober 1922 Notgeld verausgabt, das den Bürgern von Crimmitschau, Werdau und den umliegenden Ortschaften ermöglichen sollte, mit diesem Geld auch in anderen Orten einkaufen zu können.

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Das Notgeld der Amtshauptmannschaft Werdau. Auf der Rückseite der für diese Zeit makabere Spruch: Arbeit ist des Bürgers Zierde – Segen ist der Mühe Preis.

In der Sitzung des Stadtverordneten-Kollegiums am 27. September, also nur 14 Tage nach Bildung dieser Kommission, gab man bekannt, dass für den kommenden Lohntag für 80 Millionen Mark Notgeld zur Verfügung stünden. Hieraus ist erkennbar, mit welch fieberhafter Eile an der Herstellung gearbeitet wurde. Die Ausgabe erfolgte am 29 September 1922 und hatte laut Aufdruck nur eine Gültigkeit bis 30. November des Jahres. Diese Scheine galten jedoch weiterhin, bis die ständig fortschreitende Inflation sie entwertete. Im Jahr 1923 nahm diese Inflation immer größere Ausmaße an.
Am 6. Juni wurde in Crimmitschau eine Anpassung verschiedener Gebühren an die Geldentwertung bekannt gegeben. So stiegen die Kosten für:
1 cbm Wasser von 100 auf 200 Mark
1 cbm Gas von 750 auf 1 800 Mark
1 Wannenbad von 3 000 auf 4 000 Mark
Das Gewerbeschulgeld hob man von 320 Mark auf 9 000 Mark jährlich an. Für ein Volksküchenessen musste man von nun an 1 500 Mark zahlen und schon ab 2. Juli waren dafür
2 000 Mark vorgesehen. Das Geld war wertlos geworden und was das Volk davon hielt, macht eine Zeitungsnotiz vom 9. Juni 1923 deutlich:
„ Einen Markschein hält heute kein Straßenjunge mehr des Aufhebens wert, aber selbst Tausendmarkscheine werden, wie das kürzlich in unserer Stadt vorkam, zu Zwecken benutzt, für die sie keineswegs von der Reichsbank vorgesehen waren.“ (Es hatte sich ein Bürger demonstrativ den Hinteren damit abgewischt.)
Am 1. August brachte die Stadtverwaltung neues Notgeld – Gutscheine in nie gekannten Nominalen zu 100 000 und 200 000 Mark in Umlauf. Schon Ende des Monats sah sich der Stadtrat genötigt, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die städtischen Finanzen an die Geldverhältnisse anzupassen. In einer Sitzung des Stadtverordneten-Kollegiums wird dies deutlich:
„ Die sich täglich überstürzenden Währungsverhältnisse zwingen zu einer gründlichen Umstellung der städtischen Finanzgebarung. Im Juli hat der reine städtische Geldbedarf ungefähr 2,1 Milliarden Mark betragen. Dagegen sind die Reichseinkommenssteuer- Überweisungen von 173 Mill. Juli auf nur 448 Mill. im August gestiegen.“
Um diesen enormen Geldbedarf wieder auszugleichen, beschloss man für 1,05 Billionen Mark weitere Notgeldscheine zu drucken. Außer den bereits erwähnten Einhunderttausend – und Fünfhunderttausend – Markscheinen wurden Scheine zu einer und zu fünf Millionen in Umlauf gesetzt. Somit kam pro Kopf der Crimmitschauer Einwohner, Notgeld in Höhe von 39 Millionen!
Nun war jeder Einwohner ein Millionär geworden!

III. Die Millionäre von Crimmitschau

Im Mai 1923 geriet die Papiermarkgeldmenge außer Rand und Band. Im Mai 1923 stieg sie auf 8.610 Mrd., im April waren es bereits 17.340 Mrd., im August 669.703 Mrd. und im November 1923 waren es dann 400 Trillionen. Die Großhandelspreise stiegen mit astronomischen Raten, von Ende 1919 bis November 1923 um 1.813 Prozent. Am Ende des Krieges 1918 hätte man theoretisch fünfhundert Milliarden Eier für das gleiche Geld erwerben können, für das man fünf Jahre später ein einziges Ei kaufen konnte. Der Außenwert der Papiermark fiel ins bodenlose. Im Juli 1914 entsprachen 4,2 Reichsmark einem US-Dollar; und ein US-Dollar entsprach damals 1/20 Feinunzen Gold. Bis November 1923 hatte sich der Papiermarkpreis (an der Berliner Börse) für einen goldgedeckten Greenback um 8.912 Prozent verteuert. Die Papiermark hatte im Grunde nur noch „Brennwert“.
Die Inflation schritt immer weiter und hatte im September 1923 ihren Höhepunkt noch längst nicht erreicht. Die Finanzlage der Stadt Crimmitschau, wie auch in anderen Städten und Gemeinden, war katastrophal. Bürgermeister Buchwald äußerte zur Finanzlage der Stadt am 22. September:
„ Vorige Woche war noch ein Guthaben zu verzeichnen, jetzt hat die Stadt 445 Milliarden Mark Schulden. Nächste Woche kommen weitere 500 Milliarden dazu, dann belaufen sich die Schulden auf eine Billion (1 000 000 000 000)“
Die Stadt war gezwungen, bei der Kreditanstalt sächsischer Gemeinden Mitte November 1923 einen Kredit in Höhe von 750 Billionen Mark zur Deckung der laufenden Aufwendungen aufzunehmen. In einem Finanzbericht dieser Zeit wird festgestellt, dass ein weiteres Darlehen von 5 Billiarden Mark (5 000 000 000 000 000) nötig werde. Um diese astronomischen Summen bewältigen zu können, mussten neue Scheine mit noch größeren Werten gedruckt werden.

Das Inflationsgeld wurde in 9 Wertstufen, von Einhunderttausend bis 200 Milliarden Mark in 15 Varianten emittiert.

Dieser galoppierende Geldverfall lässt sich an Hand der Notgeldausgaben verfolgen: Während Anfang Oktober 50 Mill.-Markscheine in Kurs gesetzt wurden, kamen Ende des Monats 20 und 50 Milliardenscheine in Umlauf. Am 5. November 1923 verausgabte die Stadt Crimmitschau die letzten Scheine mit dem höchsten Nominal zu 200 Milliarden Mark.
Im November hatte die Inflation und mit ihr die große Teuerung ihren Höhepunkt erreicht. Die Lebensmittel waren längst rationiert und kosteten horrende Summen. Wie zu solchen Zeiten üblich, blühte der Schwarzmarkt. Wer noch Gold- und Silbermünzen besaß, konnte auf diesem Markt auch Lebensmittel erwerben.
In der Stadt betrug die Wochenration für sieben Tage pro Person 2 kg Brot und 250 g Fleisch sowie monatlich 750 g Zucker und 125 g Butter.

Dazu die Preise:
1 kg Brot kostete 440 Millionen Mark
1 kg Kartoffeln kostete 21 Milliarden Mark
1 Hering kostete 90 Milliarden Mark
1 kg Zucker kostete 960 Milliarden Mark
1 kg Fleisch kostete 1,56 Billionen Mark
1 kg Butter kostete 4,6 Billionen Mark
1 Paar Schuhe kosteten 8.0 Billionen Mark

Nach den Ausgaben der utopischen Geldscheine gab es Probleme, denn die Händler weigerten sich wieder, diese Scheine anzunehmen und schlossen ihre Geschäfte, mit der Begründung, dass sie mit dem Crimmitschauer Geld außerhalb der Stadt keine Waren kaufen könnten. Es kam zu Aufläufen vor den Geschäften und der Stadtrat sah sich zum Handeln gezwungen. Den Geschäftsleuten wurde eingeräumt, 5 Millionenscheine in der Stadtkasse und in den Geldinstituten gegen Reichsnotgeld zu tauschen, selbst nach Geschäftsschluss in der Polizeiwache. So waren die Händler sofort in der Lage neue Waren zu besorgen, bevor das Geld weiter an Wert verlor.
Die Inflation hatte im November endlich ihren Gipfelpunkt erreicht und man unternahm in Deutschland ernste Versuche die Währung zu stabilisieren.
Der Bezirksverband der Amtshauptmannschaft Werdau, zu der, wie bereits erwähnt, auch Crimmitschau gehörte, brachte bereits am 1. November 1923 wertbeständiges Notgeld heraus. Auf diesen Scheinen zu 20 und 50 Goldpfennigen, sowie einer Goldmark, war unter anderem das Wertverhältnis zum Dollar aufgezeichnet. Die USA hatten Deutschland zur Konsolidierung der Wirtschaft umfangreiche Kredite gewährt, die einen allmählichen wirtschaftlichen Aufschwung erkennen ließen, bzw. zur Folge hatten. Im Rahmen dieser Kredite floss auch Gold ins Land, das von den Banken zur Deckung dieses wertbeständigen Notgeldes verwendet wurde.

Wertbeständiges Notgeld mit Angabewert zum Dollar von 1914. Der Wert eines Dollars war von 4,20 Mark vor dem Krieg auf 4,2 Billionen Mark im November 1923 gestiegen.

Ausgegeben wurden sie unter strengen Auflagen der Reichsregierung, mit Hinterlegung von Sicherheiten, wie Sachwerten, Goldanleihen und Goldschatzanweisungen. Der Spinner – und Fabrikantenverein von Crimmitschau leistete für die Stadt die nötige Sicherheit. Diese wertbeständigen Notgeldscheine galten in der gesamten Amtshauptmannschaft und wurden später voll in Rentenmark umgetauscht, sofern sich solche im Besitz der Einwohner befanden. Es war vorgesehen, 10 – 15 % der wöchentlichen Löhnung damit zu vergüten, was jedoch nicht realisierbar war, weil diese Scheine von Spekulanten gehortet wurden. Es liefen vorwiegend staatliche, städtische und sonstige Notgeldausgaben um.
Am 20. November hatte der Stadtrat für Crimmitschau wieder die Goldmarkrechnung beschlossen. Der Gaspreis fiel pro m³ von 8,6 Millionen Inflationsgeld auf 20 Goldpfennige, der Wasserpreis von etwa 6 Mio. auf 15 Goldpfennige. Schon mit der Einführung der Rentenmark, am 15. November 1923, war die Währung wieder stabilisiert worden und die Inflation im Dezember endlich beendet.
Eine Billion gleich 1000 Milliarden galt nun eine Rentenmark, ein Crimmitschauer 200- Milliardenschein gerade noch 20 Rentenpfennige!

 

Eine Billion vom 3. November 1923 und eine Rentenmark vom 1. November 1923

Damit hatten fast alle Menschen ihr Geld verloren und es dauerte viele Jahre, ehe man sich davon erholte. Diejenigen, welche ihr Geld nicht der Sparkasse anvertraut und Gold- und Silbermünzen zurück gelegt hatten, konnten sich auf dem Schwarzmarkt mit dem Lebensnotwendigen eindecken und brachten auch Geld über die Krise (Für eine 20-Mark Goldmünze werden heute mind. 280 Euro gezahlt).
Während sich die Währung wieder stabilisierte, nahm die Arbeitslosigkeit immer bedrohlichere Ausmaße an. Die Zeit der Wirren der Weimarer Republik nahm ihren Anfang. Doch dazu später.

Zum Schluss ein Zitat aus einem Buch über Deutsche Geldgeschichte von 1985:

„Dem Staat das Vertrauen entgegenzubringen, er werde und könne die Kaufkraft des Geldes sichern, heißt einem mehrfach vorbestraften Dieb in voller Kenntnis seiner Vergangenheit sein letztes Hab und Gut zur Bewachung zu übergeben“.